Liebe ist leise - weniger Drama, mehr "Langeweile".

Liebe ist leise - weniger Drama, mehr "Langeweile".

Was haben Sex and the City, Hollywoodromanzen und die Bücher von John Green gemeinsam? Genau: Viel Drama um die Liebe. Sie wird geliebt und gehasst. Übertrieben ausgemalt und dargestellt. Die Liebe ist leidenschaftlich, aufregend, unberechenbar. Laut, verletzend und schmerzhaft. Sie kommt immer mit einem großen Knall, tausend Schmetterlingen im Bauch und voller großer Aufmerksamkeiten daher. Die Kennenlernphase steht entweder mit ihrer unglaublichen Romantik oder dramatischen Auf und Abs im Fokus. Passend dazu läuft ein berührender Soundtrack von Hans Zimmer und hach, fertig ist die perfekte Liebesromanze, nicht wahr?

 

Erwartungen an die Liebe

Man könnte fast meinen, dass Liebe heutzutage etwas ist, das nur sehr schwer zu bekommen und noch viel schwerer zu halten ist. Ich frage mich, was macht diese Darstellung eigentlich mit uns, vielleicht unterbewusst, und mit unserer Erwartungshaltung? Haben wir dadurch ein unrealistisches Bild der Liebe erschaffen? Wie viele von uns werden dadurch unweigerlich geprägt und haben sich verinnerlicht, dass Drama gleich Liebe bedeutet? Dass Liebe immer laut sein muss? Und wie viele übersehen von uns, dass Liebe manchmal ganz schön leise ist und leise sein darf?

Ich glaube, manchmal passiert Liebe ganz unspektakulär. Wenig aufregend. Kommt auf sanftem und leisem Wege daher. Friedlich und ungefährlich. Und genau das verleiht ihr eine ganz besondere Kraft.

 

Love Bombing & red flags

Ich möchte es gar nicht abstreiten: Diese knisternde und aufregende Chemie zwischen zwei Menschen, diese pure Leidenschaft. Dieses klischeehafte Brodeln und das Feuer, diese Spannung, die kaum auszuhalten ist - ja, eine Gefühlsexplosion vom Feinsten. Doch wer Feuer sagt, sagt auch Finger verbrennen. Und weiß Gott, wie oft ich mir bei solchen anfänglichen Geschichten schon meine Finger verbrannt habe. Oder sollte ich besser mein Herz sagen? Denn in den meisten Fällen geht sowas selten gut aus. Wenn es zu schnell zu schön wird, weißt du? Zu schnell, zu viel. Das größte Kribbeln und die größte Spannung erlebte ich bisher mit Menschen, bei denen ich insgeheim von Anfang an wusste, dass das Ganze schief gehen würde. Dass das der Anfang von Herzschmerz sein wird. Vermutlich bei mir. Und ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich trotz alldem es nicht unglaublich genossen habe. Diesen Knall. Dieses Knistern. Diese nicht auszuhaltende Spannung und Leidenschaft. Es war magisch. Es war überwältigend.
Es war Love Bombing.

Ich möchte nicht ausschließen, dass solche Anfänge immer schlecht ausgehen. Es kann auch richtig gut und “too good to be true” werden. Doch in den meisten Fällen endet es nach nicht allzu langer Zeit mit einem gebrochenen und verletzten Herzen.

Denke ich an die Zeit zurück, sehe ich einen Haufen Red Flags. Hab ich natürlich damals nicht gesehen. Weil ich so unfassbar verknallt war. Farbenblind war. Die roten Flaggen plötzlich rosarot wurden. Mit vielen kleinen Herzchen versehen. Ich wollte es auch einfach nicht sehen. Habe über vieles hinweg gesehen. Bis ich es nicht mehr übersehen konnte. Doch da war es zu spät. Ich zahlte einen Preis. Einen verdammt hohen Preis.


Meine Liebeserklärung an die leise Liebe

Die Liebe ist mächtig. An manchen Tagen. Aber manchmal ist sie auch viel kleiner. Beinahe unscheinbar. Da ist diese Sehnsucht und dieser Wunsch, einen Menschen bei sich zu haben. Mit der Person anzukommen. Im Vertrauen und ehrlich miteinander zu sein. Das Wissen zu haben, wo man steht und ob man den gleichen Weg geht. Der Wunsch nach einer funktionierenden Kommunikation. Von beiden Seiten. Doch all das geht häufig verloren. Zwischen dem Knistern und dem Brodeln.
Ich dachte immer, dass all das, was ich mir so sehr wünsche, sich erst nach langer Zeit der Unsicherheit und zum Teil auch des Leidens einstellen würde. Dass all das nicht selbstverständlich, natürlich und leicht sein kann. Dass das nicht die Natur der Liebe ist.
Nach meinen beiden toxischen Beziehungen habe ich jedoch vor allem eines gelernt: Ich möchte kein Drama mehr. Kein Hin und Her. Keine tagtäglichen Auf und Abs. Kein “ich weiß nicht, wo wir gerade stehen” und kein “jeder Streit kann Trennung bedeuten”.

Ich möchte Frieden. Ruhe. Stabilität. Leichtigkeit. Harmonie. Auch wenn das auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär erscheint, wahnsinnig langweilig. Vielleicht auch auf den zweiten Blick. Und auf dem zehnten. Im Endeffekt bleibt es genau das: Nicht aufregend, aber dennoch so unglaublich besonders wertvoll - wenn man die Magie dahinter erkennt.

Einen Menschen langsam kennenzulernen, vorsichtig und in kleinen Schritten, ohne diesen verschleierten Blick der erhöhten Spannung, bietet die Chance, viel ehrlichere und tiefere Nähe aufzubauen. Es gibt kein plötzliches “zu hoch fliegen und auf den Boden knallen”. Es entwickelt sich beständig. Zuneigung entsteht nicht aus auf den ersten Blick sexualisierter Spannung, sondern daraus, dass man dieselben Werte, Ansichten, Gemeinsamkeiten und Erlebnisse teilt. Und genau diese Zuneigung ist kein lauter Knall. Keine Liebe auf den ersten Blick. Sie entsteht mit der Zeit. Es ist ein Prozess. Ein Weg, den beide langsam und gemeinsam gehen. 

 

Mein Irrglaube

Ich dachte immer, Liebe muss laut sein. Sie ist anstrengend, schmerzhaft, unberechenbar und exzessiv. Ich glaubte, es sei normal, Drama zu haben und Kämpfe zu führen - darüber, wer mehr liebt und ob geliebt wird. Inzwischen weiß ich, dass das auf alten Glaubenssätzen basierte und ich dieses Bild von Liebe von klein auf so übermittelt bekommen habe. Durch meine Eltern und durch mein Umfeld. Durch meine Erfahrungen und Erlebnisse. Durch Romanzen und Bücher. 

Ich will das nicht mehr. Dieses Gefühl ist fast ein bisschen langweilig, ja. Doch verdammt gut für mein Herz. Ich höre mich sagen: “Ich habe keine innere Unruhe mehr. Vor Aufregung keine Magenschmerzen mehr. Spiele keine “wer meldet sich zuerst”- oder “ich antworte erst nach drei Stunden” mehr. Kein “ich habe keine Ahnung, wo ich bei ihm stehe” mehr.” All das ist Geschichte. Doch kann man sich überhaupt verlieben, wenn all das nicht mehr passiert?

Die Antwortet lautet ja. Ich bin davon überzeugt, dass genau das eine gesündere Basis ist. Es gibt sie zwar. Diese Geschichten, bei denen aus einer vor Aufregung platzenden Affäre eine erfüllte Beziehung wurde, aber sie sind selten.

Ich nehme für mich mit: Die Liebe ist manchmal ganz schön leise. Ich darf wieder lernen, ihr mehr zuzuhören. Sonst könnte es passieren, dass wenn sie kommt, ich sie überhöre.

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